Leider die meiste Zeit im Regen war ich heute mit John und Sally Perkins am Pea River im Südosten Alabamas. Dieser fließt in etwa von Nord nach Süd und mündet irgendwann in den Choctawhatchee. Schon länger war mir bekannt, dass es in etwa auf Höhe zwischen den Orten Ariton und Clayton entlang des Flusses ungewöhnliche Azaleen geben sollte. Am 20.4.2019 und am 1.12.2021 war ich schon einmal an zwei Fundorten in dieser Gegend (siehe Eintrag dort). Nun wollten wir die ganze Strecke zwischen den beiden Orten von etwa 40km Länge zur besten Blütezeit unter die Lupe nehmen, um vielleicht noch mehr Fundorte zu finden und mehr über diese Pflanzen zu erfahren. Bislang waren die Pflanzen als gelb blühende R. colemanii bezeichnet worden. Erhebliche Zweifel an dieser Bestimmung kamen mir, als erste Sämlinge, die ich aus 2019 gesammelten Samen gezogen hatte, zum Teil deutlich, zum Teil auch nur schwach behaarte Winterknospen zeigten, ein Merkmal, das eher auf R. austrinum hinwies statt auf R. colemanii, was stets nackte Knospen hat. Allerdings hatten die Sämlinge, von ein oder zwei Ausnahmen abgesehen, fast alle keine Drüsenhaare an den Trieben, was eher auf R. colemanii deutete. Hinzu kam die Tatsache, dass die Pflanzen am Standort genau zwischen den Blütezeiten von R. austrinum und R. colemanii blühen. Und die Blütenfarbe dieser Pflanzen war sehr häufig ein mehr oder weniger blasses bis stärkeres Gelb mit einem dunkler gelben Fleck auf dem obersten Blütenblatt, die Röhren weißlich bis rosa oder rot. Sollte es sich hier um einen Hybridenschwarm zwischen den beiden Arten handeln? Würde man sich eine Hybride zwischen R. austrinum mit seinen meist kräftig gelben bis orangegelben Blüten (vom Choctawhatchee River, zu dessen Sytem der Pea River ja gehört) und R. colemanii mit seinen meist weißen oder blassrosa Blüten vorstellen müssen, dann würde die jedenfalls ziemlich genauso aussehen wie die hier besprochenen Pflanzen. Auch geografisch passt das gut, könnte doch eine Population von R. austrinum ohne Probleme entlang des Flusses so weit nach Norden vorgedrungen sein bis in das typische Verbreitungsgebiet von R. colemanii. Da beide Arten tetraploid sind und nacheinander, aber natürlich auch mit Überlappungen blühen, stünde einer massenhaften Hybridisierung kaum etwas im Wege.
Hauptschwierigkeit bei der Suchaktion über solch eine große Distanz war, überhaupt oft genug an den Pea River vordringen zu können. Hierzu boten sich eigentlich nur ohnehin schon vorhandene Brücken an, von denen es in dieser einsamen Gegend aber nur sehr wenige gab. Ein Vordringen querfeldein duch den Wald, der in einem bis etwa 1km breiten Streifen um den Fluss vorhanden war, kam schon allein aus Zeit-und Praktikabilitätsgründen nicht in Frage, zumal dazu zuerst auch noch hätten Wälder oder Felder in Privatbesitz durchquert werden müssen, etwas, was bei uns in Deutschland überhaupt kein Problem ist, solange man auf den Feldwegen bleibt, und im Wald ist es sowieso egal. In den USA jedoch kommen die Rednecks dann gern mit einer Auswahl an Schießeisen angelaufen, weil sie denken, man wolle ihnen „ihre“ dort wild lebenden Truthähne klauen …..
Wir arbeiteten uns von Süd nach Nord vor. Zuerst hielten wir bei Ariton an der dortigen Bahnlinie, der Seaboard Coast Line. Ich lief die 1,5km auf den Gleisen bis zur Brücke über den Pea River, wo ich auch sofort fündig wurde: eine große Pflanze direkt auf der Uferböschung mit blassgelb verwaschenen Blüten. Wegen des Regens, der mittlerweile eingesetzt hatte, beließ ich es bei dieser einen Pflanze und suchte nicht noch weiter, obwohl da bestimmt noch mehr zu entdecken gewesen wären, wenn man das Ufer weiter entlang gegangen wäre.
Unser nächster Stopp war ein paar km weiter nördlich, wo die CR 77 den Pea River überquert. Dies war auch der Ort, wo ich am 1.12.2021 bereits war. Hier mussten wir nur wenige Schritte durch den Wald den Fluss entlang gehen, um gleich mehrere Pflanzen zu finden, die alle die typischen blassgelben Blüten mit dunklerem Fleck hatten. Ein Exemplar hatte etwas dunkler gelbe Blüten. Die Pflanzen waren zum Teil uralt, baumartig und erreichten Höhen von etwa 5 bis 6m! Bei der Suche nach Pflanzen stolperte ich auch noch über eine verlassene provisorische Wohnstatt, die sich wild und dreckig am Ufer ausgebreitet hatte. Überall lag der Plastikmüll herum, so dass mir spontan der Gedanke kam, dass es sich bei den ehemaligen Bewohnern wohl um die Spezies Homo plasticus ssp. horridus gehandelt haben musste, H. sapiens konnte das auf keinen Fall gewesen sein. Widerlich, die Natur so zu vermüllen.
Der nächte Halt war an der Stelle, wo die AL 10 den Pea River kreuzt. Hier ließen sich nach einiger Suche recht viele Pflanzen finden, die mit ihren blassen Gelbtönen gut ins Bild passten. Wir fanden dazwischen auch Exemplare, die uns eher an R. austrinum erinnerten, und auch solche, die mehr wie echte R. colemanii aussahen. Hier war ich auch bereits am 20.4.2019 gewesen und hatte die erwähnten Samen gesammelt, doch war da die Blüte schon so gut wie vorbei gewesen und ich hatte von der Vielfalt nichts mitbekommen.
Der nächste Platz war Hobdys Bridge, wo die AL 130 den Pea River überquert. Hier fanden wir ein paar Pflanzen, die offenbar Hybriden waren, darunter auch eine mit einer ungewöhnlichen lachsorange Schattierung auf den ansonsten blassgelben Blüteblättern. Eine dort gefundene Pflanze mit rein weißen Blüten und Trieben one Drüsenhaaren könnte auch ein R. colemanii gewesen sein.
Da der Tag langsam zur Neige ging, machten wir nun einen größeren Sprung nach Norden bis zu der Stelle, wo die AL 239 den Fluss quert. Hier fanden wir aber nur einige R. canescens und keinerlei Spuren von R. austrinum, R. colemanii oder Hybriden zwischen den beiden Arten. Zur genaueren Eingrenzung der Hybridpopulation wäre es nötig, von hier aus wieder etwas weiter südwärts zu forschen bis man auf die ersten Pflanzen trifft. Leider war dazu aber keine Zeit mehr. Aber immerhin konnten wir die Hybriden auf einer Stecke von etwa 23km nachweisen.